Als im Mai 1945 die faschistische Armee endgültig kapitulierte, war das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben in Deutschland fast ganz erloschen. Im Gebiet von Ostdeutschland vollzog sich ein Umwandlungsprozess antifaschistisch-demokratischen Inhalts. Der historische Inhalt der ersten Nachkriegsperiode widerspiegelt sich in der Literatur dieser Zeit. Aber nicht direkt und unmittelbar, sondern auf besondere und vermittelte Weise.
Bei der Widerspiegelung der Wirklichkeit in der Kunst und Literatur handelt es sich immer um allmähliche prozesshafte Vorgänge.
Besondere Veränderungen erlebte die deutsche Literatur schon am Anfang des XX Jh. Die wichtigen politischen Ereignisse in Europa veranlassten viele Schriftsteller der bürgerlich-humanistischen Richtung nach den Wurzeln dieser Ereignisse zu fragen. Sie zogen Lehren aus der Geschichte.
Die eigentlichen Begründer des kritischen Realismus in Deutschland waren Heinrich und Thomas Mann, Leon Feuchtwanger, Arnold Zweig, Bernhard Kellermann.
Für sie war es eine schmerzliche Erkenntnis begreift zu müssen, dass ihre Klasse, das Bürgertum, für die Leiden der Menschheit verantwortlich war. Sie schufen zu dieser Zeit national bedeutsame Erzählungen und Romane. Der erste Weltkrieg verschärfte die Gegensätze und vereinigte viele Schriftsteller auf der Plattform der Kriegsgegner.
Nach dem Krieg aber gingen sie verschiedene Wege. Wer wenigen orientierten sich politisch nach links – Johannes Robert Becher, Berthold Brecht, Friedrich Wolt.
Die meisten Schriftsteller standen unter dem Einfluss der bürgerlichen Ideologie. Die späteren Jahre waren reich an politischen Ereignissen.
Die Novemberrevolution 1918, die Gründung der KPD ab 1918, die Gründung der Weimarer Republik 1919, der Aufstand in Hamburg 1923 und viele ändere.
Diese Ereignisse bestimmten 2 entgegengesetzte Richtungen in der Literatur. Eine unverhüllte, offene reaktionäre und eine revolutionär – demokratische Richtung.
Es entwickelte sich eine Propaganda, die für die Entwicklung der deutschen Kultur und Literatur gefährlich war. In historischen Romanen und Dramen versuchten die neuen Schriftsteller die wahren Erscheinungen, die Geschichte, zu fälschen. Sie behaupteten, dass die Deutschen eine Herrenrasse seien.
Erwin Kolbenheyer wurde zum offenen Vertreter der faschistischen Ideologie und wurde in der Nazizeit als dichterischer Repräsentant hoch gepriesen.
Dietrich Eckard ist der Autor des Liedes “Deutschland erwache!”, die später zur Hymne der Faschisten wurde. Er war ein persönlicher Freund von Hitler.
Zu den Vorbereitern der faschistischen Ideologie zählt Hanns Jonst. Er begann seine schriftstellerische Tätigkeit als Expressionist und benutzte sein literarisches Talent für die mystische Seite der Naziideologie. Er stellte die Schicksalsgläubigkeit an die erste Stelle.
Eine andere Form der Literatur idealisierte das Soldatentum. Es entstand eine große Anzahl von Kriegsromanen, in denen das Frontleben verherrlicht wurde.
Ernst Jünger versuchte in seinen Werken den Krieg als elementarsten Ausdruck des Lebens und seiner Gesetze zu rechtfertigen. Seine Bücher hatten großen Einfluss auf die Jugend, auf ihre Vorstellungen vom entstehenden Nationalismus. Am Krieg lobte er das Erscheinen der ungebrochenen männlichen kriegerischen Urkraft. Jünger verfälschte in seinen Werken die soziale Realität und die historische Rolle der Arbeiterklasse.
Nicht weniger bekannt wurde Hans Grimm. Sein Roman “Volk ohne Raum” wurde zur ideologischen Rechtfertigung der Faschisten.
Diese Atmosphäre herrschte in Deutschland auf literarischem Gebiet vor 1945.
Anerkannt und offen vertreten waren nur die Schriftsteller, die in ihren Werken die faschistische Ordnung und das faschistische Regim verherrlicht haben.
Deshalb ist es verständlich, dass das Jahr 1945 einen radikalen Einschnitt für die Literatur in Deutschland bedeutete.
Es gab 1945 verschiedene Quellen, Hauptausgangspositionen, für die Entwicklung der Literatur.
Die erste Gruppe bildete die an den Rand gedrängten Vertreter des faschistischen Geistes. Die faschistische oder mit dem Faschismus paktierende Literatur verschwindet zunächst völlig von der Bildfläche. Das war nur eine vorüber gehende Erscheinung.
Die führenden geistigen Köpfe treten bald wieder in Westdeutschland hervor. Z.B. Ernst Juünger ließ seine Schriften in Westdeutschland wieder veröffentlichen. Sein erstes erfolgreiches Werk – der Roman “In Stahlgewittern” erschien 1920. 1961 erschien dieses Buch mit dem veränderten Titel “Ein Kriegstagebuch”. Ernst Jünger war ein Bundesgenosse der revanchistischen ideologischen Aufrüstung gegen den Osten. Er war damals ein besonders gefährlicher Vertreter der militaristischen und antikommunistischen Literatur.
Die 2. Gruppe bildeten die aus dem Schweigen erwachten Dichter der inneren Emigration. Diese Schriftsteller bewahrten unter der Nazidiktatur eine humane Innerlichkeit und wollten jetzt ein Zeugnis für den Widerstand im Geiste ablegen. Zu dieser Gruppen gehörten: Gerhard Hauptmann, Bernhard Kellermann, Hans Fallada, Ernst Wiechert, Erich Kästner, Günter Weisenborn.
Sie sind unterschiedliche Schriftsteller, die aus unterschiedlichen Motiven in Deutschland geblieben sind. Sie verband der Glaube, auf diese oder jene Weise mit dem Faschismus auskommen zu können.
Bald aber gaben sie alle Illusionen auf, dass es unter dem Faschismus möglich sein werde, mit humanistischen Dichtungen auftreten zu können. Sie waren vom Leben und Kampf der Antifaschistischen isoliert und fühlten sich oft wie lebendig Begrabene. Ihren Irrtum mussten sie teurer bezahlen, entweder verstummten sie ganz oder sie mussten auf abseitige unwesentliche Themen ausweichen, an denen sich ihr Talent nicht entfalten konnte. Die Bezeichnungen “innere” und “äußere” Emigration sind nicht nur Verschiedenheiten im persönlichen Schicksal, es sind tiefere in der Weltanschauung der Dichter begründete Unterschiede.
Viele wurden nach 1945 in eine erneute geistige Krise gestürzt. Nicht alle konnten sofort die Probleme des Neuaufbaus verstehen. Gerade zu jener Zeit brauchte das deutsche Volk die Stimme seiner Dichter. Von ihnen erwartete es die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des weiteren Lebens. Das bessere Deutschland verkörperten in den Jahren der Naziherrscher die Schriftsteller, welche 1933 aus Deutschland emigrierten.
Die besten Vertreter der deutschen Literatur, mehr als 300 Schriftsteller, verließen ihre Heimat. Unter ihnen waren Vertreter verschiedener Parteien, unterschiedlicher politischer Überzeugungen, viele von ihnen waren parteilos.
Für die antifaschistischen Schriftsteller, die Deutschland verließen, war es selbstverständlich den Kampf gegen den Faschismus vom Ausland her zu
unterstützen. Solange es möglich war hielten sie sich in der Nähe von
Deutschland auf. Die ersten Zentren der deutschen Emigration waren die Schweiz, Prag, Paris und Moskau.
Als die Faschisten Frankreich überfielen, flüchteten viele in die USA und nach Südamerika.
Das Schaffen der deutschen antifaschistischen Schriftsteller war auch unter den schweren Bedingungen der Emigration erfolgreich und verdiente Anerkennung. Diese Literatur wurde die Stimme des verstummten Volkes.
Die schwere moralische und materielle Lage im Exil, Hoffnungslosigkeit und kein fester Glaube an den Sieg führten einige Schriftsteller zu Depressionen und zur Verzweiflung. Einige von ihnen fanden in sich kein Kraft, den Kampf weiter zu führen, und sie schieden freiwillig aus dem Leben, so z.B. Ernst Toller, Kurt Tucholski, Stephan Zweig.
Die meisten Antifaschisten aber zeigten in diesen Jahren ihren Mut und bestanden die schwere Lebensprüfung bis zum Ende.
Sie leiteten die avantgardische Literatur. Das Gemeinsame an ihnen war, dass sie das humanistische Prinzip gegenüber dem antihumanistischen Barbarismus der Faschisten verteidigten.
Aber die große Gruppe der Exilschriftsteller bildete keineswegs eine literarische Einheit. Nach dem Krieg konnten die bürgerlichen Schriftsteller nicht sofort ihr Schicksal entscheiden.
Th. Mann, L. Feuchtwanger u.a. fanden den Weg nicht zurück nach Deutschland. Sie bildeten die 3. Ausgangsposition für die deutsche Literatur.
Ihre Entfremdung und Entfernung von den konkreten Lebensfragen der Nation waren die Ursache für besondere Schaffensprobleme.
Die politische Differenzierung wirkte sich zunächst stark auf die Wahl des Landes aus der Emigration zurückkehrenden deutschen Schriftsteller aus, die die 4. Ausgangsposition der deutschen Literatur bilden.
Von 1945 bis 1949 hatten sich ausnahmslos alle bedeutenden Schriftsteller mit marxistischer Weltanschauung und sozialistischer Literaturauffassung im Osten Deutschlands niedergelassen (J. Becher, W. Bredel, A. Segers, E. Weinert, F. Wolf) oder in den kapitalistischen Ländern (B. Brecht, A. Segers, Bodo Uhse, Ludwig Renn) – sie alle nahmen aktiv am Aufbau der antifaschistisch-demokratischen Ordnung teil.
Unter ihnen gab es Schriftsteller, die zuerst in die Westzone zurückkehrten, zu ihrem früheren Wohnsitz. Sie siedelten aber in den ersten Jahren
in die sowjetische Besatzungszone über (Hans Marchwitzer, Stephan Hermlin, Eduard Claudius). Sie alle wirkten nicht nur mit dem dichterischen Wort, sondern auch mit der praktischen Tat.
Die 5. Gruppe bilden die Schriftsteller, die in Hitlerdeutschland am illegalen Kampf teilgenommen hatten, illegal in Deutschland gelebt hatten und sich nach der Zerschlagung des Faschismus sofort für die neue Ordnung entschieden. Otto Gotsche, Wolfgang Joho, Karl Grünberg.
Auf diese Weise verfügte das deutsche Volk über eine außergewöhnlich günstige und fruchtbare Ausgangsposition für die Entwicklung einer großen volksverbundenen Literatur.
Ungeachtet der vielen Unterscheide in den individuellen Schreibstilen stimmten die meisten Autoren in den entscheidenden Grundfragen des literarischen Schaffens überein.
Fragen und Aufgaben zum Thema für die selbständige Arbeit:
1. Lesen Sie über die geschichtliche Lage Deutschlands.
2. Wann und wie erlebte die deutsche Literatur besondere Veränderungen?
3. Welche zwei Richtungen erschienen in der Literatur?
4. Welche drei Ausgangspositionen entstanden damals in der Literatur?
5. Welche fünf Gruppen der Schriftsteller waren in der deutschen Literatur nach dem zweiten Krieg?